Landrat Matthias Jendricke verwies in seiner Eröffnungsrede zur Konstituierung des neuen Kreistages vergangene Woche auf die Vorteile der Zuwanderung. Durch Migranten könne der Bevölkerungsschwund ausgeglichen und die demografische Struktur des Landkreises verbessert werden. AfD-Fraktionschef Jörg Prophet hingegen äußerte in seinem anschließenden Statement Bedenken und identifizierte Migration als das vorrangige Problem, das den Kreistag in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen wird…

Die AfD-Kreistagsfraktion zeigt sich erstaunt über die Äußerungen des Landrats, da der Zuzug von Migranten nur temporär die Bevölkerungszahl stabilisieren kann. „Zuwanderer sind keine anonyme Gruppe von Menschen, die als Verfügungsmasse dem Landrat zur Verfügung stehen, um die Bevölkerungstabelle im Landratsamt aufzufüllen. Wir sprechen hier von individuellen Schicksalen und komplexen gesellschaftlichen Prozessen“, so Kreistagsmitglied Vincent Eisfeld.

Laut Angaben des Landrats lebten im Mai 2024 etwa 7.400 Bürger mit ausländischem Pass im Landkreis Nordhausen. Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen:

  • Etwa 1400 Personen aus EU-Staaten
  • 2200 Ukrainer
  • 800 Menschen aus Syrien
  • ca. 3000 Personen aus anderen Ländern

Der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung stieg von 2,4 Prozent (2014) auf 7,3 Prozent (2022). Deren Anteil an der Gesamtzahl der Arbeitslosen betrug im Jahresdurchschnitt 2023 über 25 Prozent.

„Der Landrat erwähnt einen jährlichen Bevölkerungsrückgang von 700 bis 1000 Einwohnern. Das zeigt doch deutlich, dass Zuwanderung allein unser demografisches Problem nicht lösen kann“, so Jörg Prophet. „EU-Bürger und qualifizierte Fachkräfte aus anderen Ländern lassen sich oft problemlos integrieren und aktiv am Erwerbsleben beteiligen. Zu uns kommen aber hauptsächlich Flüchtlinge bzw. Asylbewerber und damit stehen wir vor ganz anderen Herausforderungen. Sprachbarrieren, unterschiedliche Bildungsniveaus und kulturelle Differenzen erschweren die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft erheblich. Der Anteil von Ausländern als Transferempfänger von Sozialleistungen ist unverändert hoch. So sind 47 Prozent der Empfänger von Bürgergeld ohne deutschen Pass. Die Beschäftigungsquoten und Arbeitslosenzahlen zeigen, dass von einer gelungenen Aufnahme der Migranten durch den Arbeitsmarkt keine Rede sein kann. Vor diesem Hintergrund sieht sich der deutsche Sozialstaat mit einer Herausforderung seiner Grundprinzipien konfrontiert, da er sich immer mehr öffnet und das Prinzip begrenzter Solidarität durchbricht. Ein Sozialsystem, das scheinbar primär Nicht-Staatsangehörige unterstützt, während die einheimische Bevölkerung die Hauptfinanzierungslast trägt, gerät zunehmend unter Legitimationsdruck. Das Kernproblem ist jedoch nicht unser Sozialstaat selbst. Vielmehr muss der Irrglaube angegangen werden, dass man ein geschlossenes System bedenkenlos in ein offenes umwandeln kann. Eine Rückkehr zu einem geschlosseneren System könnte die Zukunftsfähigkeit des deutschen Sozialstaats sichern.“

„Die kopflose Zuwanderungspolitik der vergangenen Jahre löst nicht die Kernprobleme des demografischen Wandels im Landkreis“, kritisiert Vincent Eisfeld. „Wir brauchen eine nachhaltige Strategie. Diese muss Maßnahmen zur Förderung von Familien, zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Stärkung der regionalen Wirtschaft und Infrastruktur umfassen, um die demografische Stabilität langfristig zu sichern. Die Vorstellung, dass man die Bevölkerungsstruktur durch Zuwanderung einfach ‚verjüngen‘ und ‚auffüllen‘ kann, ist eine gefährliche Vereinfachung. Sie ignoriert die tatsächlichen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen.“

Prophet ergänzt: „Vergessen wir nicht den enormen Aufwand, den die Einwanderung mit sich bringt: Unterbringung, persönliche Betreuung, ärztliche Versorgung, Sicherheit, Wohnraumversorgung. Am Ende geschieht all dies überwiegend für die Einwanderung in die Sozialsysteme – ohne jeden Anreiz zu Leistung und Integration sowie ohne ein selbstfinanziertes Leben. Der Gegenentwurf kann nur lauten, dass wir die über 50 Millionen Euro Kosten der Einwanderung allein im Landkreis pro Jahr in kostenlose Kindergärten, in vergünstigte Schul- und Kinderspeisung sowie einen kostenfreien ÖPNV für Kinder und Jugendliche investieren. Das Geld ist da, wird jedoch falsch ausgegeben. Wir brauchen statt Erstaufnahmeeinrichtung Schulneubauten, moderne Unterrichtstechnik, Schulen auf dem Lande etc. Qualifizierte Einwanderung wird durch attraktive Steuersätze und Lebensqualität generiert, nicht durch einen bankrotten und bürokratischen Staat, nicht durch Identitätsverlust der eigenen Bevölkerung und nicht durch völlig überlastete Sozialsysteme.“

Die Politik müsse sich auf die wandelnde demografische Struktur einstellen, anstatt sie durch Zuwanderung hinauszuzögern, fordert Eisfeld. „Ja, die Nettozuwanderung, gerade aus der Ukraine, kann kurzfristig die Bevölkerungszahlen im Kreis stabilisieren. Aber sie löst nicht die zugrundeliegenden Probleme einer negativen Geburten-Sterbe-Rate, der Abwanderung junger Menschen und der daraus resultierenden Überalterung der Bevölkerung.“

Wenn die Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt nicht gelinge, führe dies zu sozialen und wirtschaftlichen Spannungen. Die damit verbundenen Kosten und der soziale Aufwand würden den Landkreis zusätzlich belasten. „Und vergessen wir nicht die kulturelle Dimension: Die Transformation von einer homogenen nationalstaatlichen Gesellschaft zu einer ‚multikulturellen‘ bringt nicht immer eine ‚kulturelle Bereicherung‘, wie oft behauptet wird“, so Prophet.

Je nachdem wie die Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl im September aussehen, werde auch das Thema „Erstaufnahmeeinrichtung“ in Nordhausen wieder aufs Tableau kommen. Jendricke gehörte nicht zu den Gegnern dieses Asyl-Zentrums. Er verweist auf die Quoten, der er zu erfüllen hat und ist Vollstrecker der Politik, die aus Berlin und Erfurt kommt. In Nuancen bemängelt er die Migrationspolitik, etwa der sofortige Bürgergeldanspruch für ukrainische Staatsangehörige, lässt aber sonst keine wesentliche Kritik verlauten. Wie er, haben die Innenminister in Thüringen und im Bund das gleiche SPD-Parteibuch. Stumpf und als technokratischer Verwalter wird deren Politik im Landratsamt mitgetragen, da so doch die Einwohnerzahl gehalten werden kann – egal, welche Verwerfungen dies mit sich bringt.

„Moderate Zuwanderung von benötigten Fachkräften kann unter bestimmten Bedingungen wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile bringen, das streiten wir nicht ab. Aber sie ist kein Allheilmittel für die demografischen Herausforderungen, vor denen der Landkreis, Deutschland und viele andere europäische Länder stehen. Eine erfolgreiche

Einwanderungspolitik erfordert eine sorgfältige Abwägung verschiedener Faktoren, darunter die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes, die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft und die Wahrung des sozialen Zusammenhalts. Wir fordern den Landrat auf, diese Zusammenhänge anzuerkennen und gemeinsam mit dem Kreistag an nachhaltigen Lösungen zu arbeiten“, so Eisfeld und Prophet abschließend.